Freitag, 16. Oktober 2015

Schnippsel aus dem Berner Oberland (Jungfraugebiet)

Dass meine Augen das noch sehen durften!
Ich habe ja schon viel Schönes gesehen, aber das hier war und ist die bei weitem abwechslungsreichste Gebirgslandschaft, die sich je eitel vor mir räkelte. Einziger Kritikpunkt: Jetzt habe ich die „Jungfrau“ schon aus mehreren Perspektiven gesehen, muss aber sagen – ich kenne mich da aus – Jungfrauen sehen ganz anders aus.


Mit meiner Jungfraujoch-Bahncard läuft es darauf hinaus, dass ich mal mit einer extrem steil angelegten Zahnradbahn rauffahre, anderthalb Stunden genießerisch rumlaufe, mir mit Prickeln in der Nase (Freudentränen) die Augen auskucke, wieder ein bisschen Bahn fahre und von ganz woanders das Panorama erneut genieße: zu Füßen von Eiger, Mönch und Jungfrau oder auf der Schynigen Platte.
Von da aus blickt man nordwärts auf den blauen Thuner - ,und den türkisen Brienzer See. Beide umrahmt von den knalligen Herbstfarben eines goldenen Oktobers. Und südwärts verirrt sich das Auge in Fels, Schnee und Eis.


Hab mir des längeren angeschaut, wo diese Irren, die sich zur Tarnung Bergsteiger nennen, die Eiger-Nordwand raufgekrabbelt sind, oder aber auch sich dabei 72 mal einzeln und heldenhaft zu Tode gepurzelt haben.

Helden, das sind tote Leute. Was ist so faszinierend daran, tot zu sein?


Das
Grindelwaldgebiet ist so richtig was für mich und alle anderen alten Säcke hier.
Man fährt - wie schon gesagt - mit den Aufstiegshilfen (Zahnradbahnen, Schwebebahnen, Bussen, Eisenbahnen) nach oben und kann dann stundenlang über sauber gemähte Wiesen zwischen den sehr vielgestaltigen Bergen gemütlich hangabwärts laufen.

Das ist zwar teuer (255 Schweizer Franken für 6 Tage unlimitierter Transfers), aber ich sehe das so, dass ich mir halt selbst ein Fest gebe. Für gute Freunde kann man ruhig mal was springen lassen.
Und ich bin mir ein sehr guter Freund. Ich kann sagen, mein bester Freund von allen.

Gewöhnungsbedürftig sind die vielen Ostasiaten im Ort. Es gibt für die Japaner sogar ein eigenes Informationsbüro. Manchmal klumpen da beängstigende 50 und mehr auf einem Haufen. Eine Invasion, die aber – nach den Selfie-Sticks zu urteilen - nur an sich selbst interessiert ist. Und am nächsten Café.

An kulturellen Genüssen hapert es wohl etwas. Den Fernseher vermisse ich aber überhaupt nicht. Das einzige, was es hier an Poesie so gibt, steht an den Häusern eingekerbt zu lesen:
Beispielsweise:
"Allweil lustig ist gefährlich,
allweil traurig ist beschwerlich,
allweil glücklich ist unmöglich.
Eins ums andre ist vergnüglich."


Dieser einprägsamen Weisheit kann man ja wohl nicht groß widersprechen wollen.

Die Natur haut hier aber auch wirklich mächtig auf die Pauke. Haut ein angeberisches Spektakel nach dem anderen raus.
Hier hat es halt von wirklich allem ein bissl mehr als sonst – und anderswo.

Heute waren die Wasserfälle im
Lauterbrunnental dran. 384 Höhenmeter der eine Fall. Das heißt, dass hier die von den Gletschern glattgeschliffenen Felswände mal lässig senkrechte 400 Meter hoch sind.

Habe da zwei Japanerinnen aus Australien "touristisch betreut".
Mit Kulturellem zu den Staubbachfällen, und Literarischem zu den Trümmelbachfällen.
Im ersteren Fall machte ich sie vertraut mit Goethes poetischer Gleichnisrede „Gesang der Geister über den Wassern“:
"Des Menschen Seele gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es

Und wieder nieder
Zur Erde muss es
Ewig wechselnd...."
usw. bis „Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind.“
Insgeheim habe ich mir zum Selbstschutz vor so viel luftiger Spiritisterei was Handfesteres verordnet und beim Anblick der himmelstürmenden Berge die selbstgestrickte Materialistenweisheit gemurmelt:
Zum Himmel da strebt es,
Dem Grund anheim fällt es.“

Der literarische Seitenblick betraf Conan Doyles Sherlock Holmes. Den hat nämlich sein Erzfeind Dr. Moriarty in die unterirdischen Trümmelbachfälle gestürzt, weil Doyle keine Lust mehr hatte, weiterhin Detective Novels zu schreiben.
Der empörte Aufschrei seiner Leserschaft ließ ihn sich dann doch noch einmal erbarmen. Er ließ Holmes den Sturz in die Mühlen der Schluchtwässer überleben, was jeden, der diese gischtenden Abstürze gesehen hat, nur nachsichtig mit dem Kopf schütteln lässt.

Was daran so wichtig ist?
Alles gelogen.
Es waren die Reichenbachfälle bei dem gar nicht so weit entfernten Meiringen. Aber um des schönen Schauders willen, wird dem Flunkerer gern verziehen.



Ich habe mehrfach zu hören bekommen, dass die Gegend hier „Oifach genial!“ sei. Und den darüber Informierten habe ich bestätigen gehört: Gännau!
Überhaupt dieses Schwyzerdütsch! Vielgestaltig wie die Berge. Du hörst:“Wo göht thir naa?“
Und schaust dich um, wer denn mit den Angeredeten gemeint sein könnte. Und siehst dich bestätigt, dass nur du gemeint sein kannst.
Ach so, hier wird ja „ge - Ihr - zt“.


Überlebenshilfetip:
Alkoholica wirst du bei MIGROS lang und vergeblich suchen. Unweit davon wirst du bei COOP fündig.
Soll nicht heißen, dass die Frömmler bei Migros es mit ihrem Blaukreuzlertum besonders wichtig hätten. Die haben ganz unvoreingenommen DENNER aufgekauft, und da ist er Alkohol noch billiger als bei COOP.







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