Athen
Herrlicher
Spaziergang über die alte Agora, die Akropolis, die bewaldeten
Parkhügel Philopappos und den Pnyx, und den Areopagfelsen.
Hier
soll der gegen die Vielgötterei missionierende Paulus die ersten beiden
Athener für die neue Lehre gewonnen haben: eine Damaris und einen
Dionysus, mit der ausgepinselten Zukunftsperspektive einer demnächst
ausbrechenden allgemeinen Gerechtigkeit im letzten Weltgericht. Zur
Beglaubigung führte er einen bereits von den Toten Auferstandenen ohne
nähere Namensnennung an.
Reaktion der Athener: allgemein freundliches Desinteresse an diesem neuen „unbekannten Gott“ und der Form der Beweisführung.
Sie zogen einen anderen Typ von Geschichten mit einer mehr der Lebenswelt zugewandten Relevanz vor.
Die Griechen glaubten, dass alles, was es so gibt, Ergebnis eines Agon (Kampfes) sei.
Also:
Warum ist Athene die Schutzgöttin von Athen und nicht Poseidon? Der
wäre doch wegen der Meerlage genau so gut als Schutzmacht in Frage
gekommen.
Die
von den Priestern erfundene Story erzählt, der nützliche Ölbaum der
Athene habe im Kampf gegen die Salzquelle des Poseidon obsiegt.
Der
attische König Kekrops, der diesen Agon zwischen zwei Göttern
inszenierte, wurde vom Verlierer mit dem ewigen Umherirren auf der
salzigen Brühe Poseidons bestraft.
Merke:
wenn du dich auf die Seite des Siegers schlägst, stelle sicher, dass
dich die darin angelegte Dialektik nicht ereilen kann.
Du siehst, mit solchen Memorabilien kann ich einfach mehr anfangen.
Mich hätten sie übrigens zum hauptamtlichen Konzeptionisten von herzerhebenden Spaziergängen machen sollen!
Tiefroter fettig glänzender Mohn mit teerschwarzem Kreuz im Blütenherzen. Der gelbe nickende Hornklee.
Na und die Brennnesseln sind auch am Strotzen.
Unter
den fotografierenden Touristen fällt ein neuer Sozialtyp auf: der
"selfies" (Selbstaufnahmen) schießende selbstverliebte Narziss.
Neuerdings läuft der nicht nur hinter seinem ausgestreckten langen Arm her, um passende Hintergründe für sich zu finden.
Jetzt
bringen die schon Verlängerungen des Arms mit: eine Metallstange, an
deren Ende die Dokumentationsmaschine der Selbstverliebtheit befestigt
ist.
Ich früherer zufälliger Passant ("Könnten Sie bitte mal ….? Hier müssen Sie draufdrücken.) werde auch hier nicht mehr gebraucht.
Habe auch die anderen „grünen Stellen“ in diesem Steinhaufen aufgesucht.
In
Kifissia (Villenvorort) sieht man an den Bauten, dass der Reichtum der
Reichen aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg stammt. Und dass das Konzept
des Gemeinsinns nicht von den zum Reichtum Verurteilten Agonisten
erfunden wurde.
Scheußliche
Schuhschachteln. Aber einer, der was zu sagen hatte, ist auf die gute
Idee verfallen, die Bäume zwischen den Anwesen stehen zu lassen.
Man geht wie im Wald.
Die
Bürgersteige zwischen den Anwesen sind allerdings lebensgefährlich
vernachlässigt. Wozu braucht so ein Reicher den Weg zum Nachbarn, wenn
er nur sicher auf sein Grundstück kommt? Schließlich muss man ja irgendwo mit dem Sparen anfangen.
Wofür er sein Geld braucht?
Zum
Beispiel für eine Jaqueline Onassis, ehemals Kennedy, die vor der
freundlichen Übernahme des keine Steuern zahlenden Reeders zu ihrer Zeit
80 Millionen pro Jahr ausgab. Unter Kennedy musste sie mit einer
mickrigen halben Million jährlich darben.
Na ja .
Viktoriapark:
Eine Heldenbüstenallee. Und die Brennnesseln und das Getreide schießt durch die Sitzleisten der Parkbänke.
Rondelle
und Rabatten verunkrauten. Die Seitenpfade überwächst ein wucherndes
Grün. Irgendwo muss man ja mit dem Sparen mal anfangen.
In der Metro Bettelmusikanten und andere Bettler.
Schlafstellen der Obdachlosen, wo es windstill ist.
Rhythmische Sprechchöre der studentischen Demonstranten im Universitätsviertel.
Man fordert mehr Geld für den Bildungssektor.
Na ja.
Dann wird es ja wohl werden.
Dem kann sich doch das Euro-Spardiktat unmöglich verschließen.
Warum ich mal wieder alles "am Geld aufhänge"?
Weil alles vom Geld abhängt.
Leute, die in behaglichen Umständen leben,
definieren solches aus dem "Geist" raus, oder reden alternativ vom
"Ungeist des Materialismus" oder verfassen gleich aus ihren Umständen
heraus eine Unabhängigkeitserklärung jeglicher Subjektivität.
Da waren die ollen Griechen aber ganz anderer Meinung.
Sie unterschieden ganz zu Recht zwischen einem "hypokeimenikos" und
einem "antikeimenikos", also einem irgendwie unterstellenden,
subjektiven Denken von ihnen verdächtigen Subjekten einerseits, die sich merkwürdigerweise was auf ihre
kolossal unmaßgebliche Meinung einbilden, und einem schlicht aber
hartnäckig "Gegenüberliegenden", eben einem objektiv vorhandenen Gegenstand, den man nur unter Strafe geistiger Verkommenheit ignorieren darf.
Ihr geistiger Kosmos war nämlich noch nicht zusammengschrumpft auf die Maße des Rumspinnens von Verwirrten auf der bundesrepublikanischen Insel der Seligen.
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