Sifnos
Busfahren auf Sifnos
Griechen
machen alles, womit sie erwartungsgemäß durchkommen. Ähneln uns
also wie ein Haar dem anderen.
- h. Die Welt hat sich nach ihnen zu richten. Im Unterschied zu unseren freiheitlichen Glücksrittern hier-europs räumen sie sich aber einen noch sehr viel größeren Spielraum der Interpretation von Gesetzen ein. Rechtgläubige Menschen, also verwirrte und verführte Orthodoxe, nennen sie deswegen Diebe und Betrüger.Weit gefehlt.Die Grenze griechischer Zugriffe auf die Welt ist erst der Schlag in seine Fresse, den er erwartet, und alles davor wird eben als souveräner Gestaltungsspielraum ausgereizt. Wenn man ihn nicht hindert, geht er zum Schutze der Heimat mit seinen Alexandern sogar bis Indien räubern, um denen da die Demokratie zu bringen.Upps!Da ist der Unterschied auch schon wieder weg.
Wenn
also der fahrplanmäßige Bus vom Fährhafen Kamares
nach dem zentralen Ort Appollonia um 12:
40 nicht kommt, heißt das bloß, dass ein tüchtiger Grieche den Bus
geklaut haben muss. Wenn auch der um 13:00 Uhr ausbleibt, weiß ich
auch nicht weiter.
Wenn
du den Busfahrer tags darauf fragst, warum er denn auch nicht um
15:00 Uhr gekommen sei, muss er sich doch sehr über deinen Mangel an
fundamentaler Logik wundern. Gestern landete vor 15:00 Uhr gar keine
Fähre mehr an, und zweitens wärst du am selben Tag gar nicht mehr
mit dem Bus zurück nach Kamares gekommen.
Ob
denn wenigstens, morgen...?
So
weit käme das noch! Morgen ist doch Wochenende, und da fahren
überhaupt keine Busse.
Und
spätestens da fällt dir siedendheiß ein, dass du dich schon im
letzten Jahr dieserhalb mit Magengeschichten herumplagen musstest.
Nicht
dass in Griechenland nichts funktioniert.
Es
funktioniert genau so.
Du
musst nur deinen engstirnigen Funktionsbegriff revidieren. Busse –
wie alles andere auch – sind dazu da, dass ihre Fahrer
versuchsweise sich jenem Ideal eines arbeitslosen Einkommens nähern
können, das für ihr hohes Vorbild schon immer Realität war, ist,
und sein wird.
Die
schlichte Wahrheit aber dürfte sein: der Busfahrer hat ein Abkommen
mit den Taxifahrern.
Mit
anderen Worten: du haderst und grantelst, weil du so viel Laufen
musst zu diesen bombastofantastico Wanderungen!
Dann
begann aber der Regen und ein Sturm von der ganz stürmischen Art,
der sich bis in den dritten Tag hineinzog.
Beängstigend.
Boréas
heißt der, und der entsteht, wenn über der arabischen Halbinsel ein
kräftiges Hoch heizt und per Sogwirkung die kalten Luftmassen des
Nordens an sich zieht. Da läutet der Boreas orkanartig und ungerufen
die Glocken des Kirchleins, schmeißt mit den Motorrädern herum,
schubst dich, wohin du nicht willst, bläst dir die Brille von der
Nase und pfeift und orgelt unter Ziehung sämtlicher Register. Den
Bus schaukelt er wie ich einst den Kinderwagen, um ein Schwesterchen
in den Schlaf zu wiegen.
Kurz:
du bist Gefangener des Boréas in deiner Bleibe. Zimmerknast.
Legst
du dich also mit Naoussa ins Bett.
Nicht,
was Du schon wieder denkst: das ist ein delikater Rotwein.
Ein
Osterspaziergang auf Milos
Ein
beschwerlicher Abstieg durch Macchia zu dem kleinen Fischerhafen von
KLIMA.
Erst
mal die Botten aus!
Und
das gesammelte Stachelzeugs aus den Socken geklaubt!
Beim
Leeren der Stiefel plumpst auch ein ziemlich fettes Insekt rücklings
auf den Boden. Der hat es hinter sich, denke ich, und entschuldige
mich bei ihm: war nicht meine Absicht.
Eine
zutrauliche Katze beschnuppert interessiert meine feuchten
Habseligkeiten. Müssen wohl mittlerweile ziemlich fischig riechen.
Dann
macht sie es sich im Windschatten neben mir bequem.
Die
triefenden Hemden in den Wind gehängt. Die zwei herumstehenden
Tamarisken eignen sich gut dafür.
Wegen
Flüssigkeitsmangel Bier in mich nachgefüllt.
Ja
– wass – ist – denn – dass – denn!
Der
scheintote Käfer kraucht jetzt auf allen Sechsen, vielleicht noch
etwas mühsam und desorientiert herum.
Verschnauft.
Eine
Ameise auf Streifzug zupft versuchsweise an seinem rechten
Vorderbein. Zum Abtransport in den Bau geeignet.
Das
aber macht diesem Lazarus Beine.
Und
jetzt sogar Flügel.
Hast
du nicht gesehen, weg war er geschnurrt!
Die
Ameise sucht ganz verdattert und herum-mäandernd nach dem soeben zum
Himmel Gefahrenen. Gerade war er doch noch da.
Ihr
wirres Gerede zuhause wird ihr einen Lehrstuhl eintragen.
Lieblingsthema: das Unerklärliche. Damit die naseweisen Skeptiker
endlich mal den Mund halten würden, wird diese
Auferstehungsgeschichte nach großem Vorbild den zentralen Satz
vorsehen:
„Und
da sagte die Katze: Du da, der riecht doch schon.“
Seit über einer Viertelstunde läutet jetzt schon von da oben das Gebimmel der Glocken von Tripiti im holpernden Staccato-Rhythmus.
Jetzt verstehe ich, was das Geläute sagt: Pijäno, Pijäno, Pijäno! Ich gehe, ich gehe, ich gehe.
Gehe ich also.
Über einen Stufenweg rauf zu den Katakomben. Nach Rom die zweitgrößte Anlage. Geschlossen. Aber ein Marienkäferchen marschiert da in der Sonne herum. Pas-chalitza heißen die hier. Und pünktlich zu Pas-cha litzen die hier herum.
Anesti physi.
Alles wieder da.
Ich verstehe, warum die Lazarusgeschichte der Ostkirche so wichtig ist: zu verführerisch das Analogon, das die Natursymbolik mitbringt und widerstandslos hergibt.
Links oben die Zyklopenmauern von Alt-Mylos. Eindrucksvoll erdbebenfest unregelmäßig, aber exakt verfugt.
Unweit davon der Ort, wo man die „Venus von Milo“ gefunden hat. Langweilt sich heute im Louvre. Steht hier als Replik öfter mal in den Vorgärten. Zu meinem Missvergnügen immer mit der Vorderfront dem Betrachter zugewandt. Wo doch gerade ihr Hintern das Schönste an ihr ist.
Endlich oben in Plaka. Da drehen sich gleich bei den ersten Häusern die Schafe und Ziegen an den Spießen. Samt Kokoretsi, also die Leber, die Lungen, das Herz und die übrigen Eingeweide eines Lamms.
Der ganze Ort duftet nach Ostern.
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