Freitag, 2. Mai 2014

Familienfeste

Normalerweise bekommt man im Alltag nur die anonymen Genickschläge der strukturellen Gewalt mit. Die kann man ja gar nicht verpassen, weil sie einem ganz ungerufen verpasst werden.
Anders sieht es bei jenen unmittelbaren Erlebnissen aus, die einem die verwandtschaftlichen Geselligkeiten bereiten. Da kriegt man die deutsche Gesellschaft in der Nussschale serviert.
Besonders zu später Stunde. Wenn man vor lauter Langeweile mit Sachen um sich wirft, die endlich einmal gesagt sein müssen.
So weit, so normal.
Wozu man aber schon etwas länger auf der Welt sein muss, um das in seiner vollen Umfänglichkeit mitzubekommen, ist der Fakt, dass man nicht nur die unschönen Vorkommnisse einer langen Vergangenheit um die Ohren gehauen bekommt, sondern auch das WAS MAN NICHT gemacht hat.
Und das ist unter Umständen sehr viel umfänglicher als der nachweisliche Sündenkatalog.
Das Schlimmste daran: man selber hatte ja gar keine Ahnung von all den Vermissungen, die in der nahen Verwandtschaft durchlitten wurden:

Und als die Lydia mit ihrer Thrombose im Rollstuhl saß, da hast du nicht einmal...“

Und du bist dir sicher, das du noch nicht einmal eine Ahnung davon hattest, dass die Lydia überhaupt krank war.

Siehst du, so wenig kümmerst du dich um die Familie.“

Du warst zu dem genannten Termin zwar am anderen Ende der Welt, und die sehr wohl im Besitze eines Computers befindliche Anklägerin weigert sich hartnäckig, das Teufelswerk der e-mailerei anzufassen, aber es ist nun mal leider wahr, dass ich nicht … habe. 
Und ... habe ich auch nicht. 
Ganz zu schweigen von ...

Man kann gegen die Grobheit der 10 Gebote so allerlei vorbringen.
Aber sie kreisen den Umfang von gesellschaftsschädlichen Lebensäußerungen doch auf ein fassbares Mass ein.
Der Feinsinn, der dir deine Unterlassungen unter die Nase reibt, ist so uferlos wie die Tage lang sind, an denen du eben anderes machtest.

Bin eine Woche in Triest und in der slowenischen Küstenregion.
Daher mal wieder Funkstille.

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