Die Beskiden im Südosten Polens, im Zwickel zwischen Ukraine und
Slowakei waren 1947 von den gelehrigen Polen nach dem großen Vorbild
Deutschland, das ja auch die Leute massenhaft herumschubste,
entvölkert worden.
In
die Ferne
nach
Pommern, Masuren und Niederschlesien zwangsumgesiedelt wurden
die Ethnien der Lemken und Bojken, die im Verdacht standen, mit den
ukrainischen Faschisten zu bündeln. Die Dörfer mit ihren
griechisch-katholischen oder orthodoxen Kirchen wurden einfach plattgemacht.
Es nutzt in so einem Fall einem Gläubigen der
griechisch-katholischen Spielart gar nichts, dass er den Papst als
Oberhaupt anerkennt, der gut katholische Pole sagt und tut:
„Ich
gehen Kościół,
was sich is
richtige Kirche, du gehen „Cerkwie“, was sich is Heidentum“.
Die
„falschen“ Kreuze und Gräber der deportierten Ukrainer wurden
abgesägt, ihre Inschriften geschändet.
So
kommt es, dass man zum Beispiel bei einer Wanderung zu dem ehemaligen
Dorf Sianki an der derzeitigen ukrainischen Grenze auf einem
Wiesenhügel nur noch auf eine gewaltige, 200jährige Dorflinde stößt
und auf Reste eines ehemaligen Friedhofs.
An
den zerstörten jüdischen Friedhöfen von Ortschaften, die zum Teil
zu über 50 % von Juden bevölkert waren, haben sich allerdings schon
vorher die Deutschen bedient: Grabsteine von Juden eignen sich
hervorragend zum Pflastern von schlammigen Straßen. Eventuell
vorfindliche jüdische Grabsteinanwärter wurden – wie bekannt – systematisch durch die Schornsteine gejagt.
Wegen
der durch die gemeinsamen Anstrengungen von deutschen Nazis und
polnischen Katholiken erzielten, angenehmen Menschenleere haben dort
mittlerweile die Biber die Landschaftsgestaltung übernommen.
Die
sich hier ebenfalls wohl fühlenden 60 Bären und 100 Wölfe,
Wildschweine, Hirsche und Luchse und Wildkatzen, Schlangen und Adler
sieht man zwar nicht, aber man weiß, dass Kunde von unserer
Anwesenheit bei den dortigen Lebensformen über ihre Nase rundgeht,
und man fühlt sich ständig unter Beobachtung.
Man
findet natürlich die Spuren ihrer Lebensäußerungen: Bärenlosung
und Bäume, die in Schulterhöhe Kratzspuren der zu schärfenden
Bärentatzen aufweisen, und haarigen Wolfskot, Wildschwein-Suhlen mit
den dazugehörigen Mal-Bäumen, an denen die sich gerne genüsslich
schubbern.
Das
Wildeste, das ich da bisher in den schlammigen Wäldern der
Waldkarpaten gesehen habe, waren Feuersalamander und
Hirschlausfliegen, die versuchten, sich von mir zu ernähren. Sollte
ich dieser Tage von einem ungewöhnlichen Fieber und einer eitrigen
Hautkrankheit heimgesucht werden, weiß ich, wem ich den Befall mit
dem Bakterium Bartonella schoenbuchensis zu
verdanken habe.
Untergekrochen
bin ich in der „Wilcza Jama“ (Wolfshöhle), einer
agrotouristischen Ansammlung von 6 Blockhäusern, deren Kamine man
mit eigenhändig gehacktem Holz füttert, wenn einem kalt ist. Der
dortige Wirt Andrzei Pawlak , ein Jäger, der auch schon Breschnjew,
Mitterrand und andere Politgrößen zu Jagdzwecken an die Bären
herangeführt hat, gibt einem von den Tieren zu essen, die er erjagt
hat.
Auch
Köstliches von den Pilzen, die da überall herumwachsen. Er ist
übrigens der Ansicht, dass man alle Pilze essen kann.
Manche
allerdings nur einmal.
Und
dann sind da diese Poloninas (Hochweiden) oberhalb der Baumgrenze bis
etwa auf 1300 Höhenmeter, anscheinend nicht mehr durch Hirten
bewirtschaftet, denn man sieht wie sie langsam verbuschen. Vom Halicz
(höchster Berg des ehemaligen Galiziens) über die Steppen der Kette
von verschiedenen Poloninas hat es mich geweht durch einen goldenen
Oktober zu meinen Füßen.
Das
Gefühl der Freiheit im Menschenleeren ist unbeschreiblich, aber
vielleicht er - ahnbar in einem heute nur noch sehr selten
anzutreffenden Wort: beglückend.
Ja
ja, ich weiß, hinterhältig versteckte Kulturkritik ist auch bloß
Gesellschaftskritik.
Aber
wenn das Glück nur um den Preis der abwesenden Zeitgenossen zu haben
ist, muss das nicht unbedingt am Glücklichen liegen.
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