Montag, 20. Oktober 2014

Darum Bieszczady


Die Beskiden im Südosten Polens, im Zwickel zwischen Ukraine und Slowakei waren 1947 von den gelehrigen Polen nach dem großen Vorbild Deutschland, das ja auch die Leute massenhaft herumschubste, entvölkert worden.
In die Ferne nach Pommern, Masuren und Niederschlesien zwangsumgesiedelt wurden die Ethnien der Lemken und Bojken, die im Verdacht standen, mit den ukrainischen Faschisten zu bündeln. Die Dörfer mit ihren griechisch-katholischen oder orthodoxen Kirchen wurden einfach plattgemacht. Es nutzt in so einem Fall einem Gläubigen der griechisch-katholischen Spielart gar nichts, dass er den Papst als Oberhaupt anerkennt, der gut katholische Pole sagt und tut: „Ich gehen Kościół, was sich is richtige Kirche, du gehen „Cerkwie“, was sich is Heidentum“.

Die „falschen“ Kreuze und Gräber der deportierten Ukrainer wurden abgesägt, ihre Inschriften geschändet.
So kommt es, dass man zum Beispiel bei einer Wanderung zu dem ehemaligen Dorf Sianki an der derzeitigen ukrainischen Grenze auf einem Wiesenhügel nur noch auf eine gewaltige, 200jährige Dorflinde stößt und auf Reste eines ehemaligen Friedhofs.

An den zerstörten jüdischen Friedhöfen von Ortschaften, die zum Teil zu über 50 % von Juden bevölkert waren, haben sich allerdings schon vorher die Deutschen bedient: Grabsteine von Juden eignen sich hervorragend zum Pflastern von schlammigen Straßen. Eventuell vorfindliche jüdische Grabsteinanwärter wurden – wie bekannt – systematisch durch die Schornsteine gejagt.

Wegen der durch die gemeinsamen Anstrengungen von deutschen Nazis und polnischen Katholiken erzielten, angenehmen Menschenleere haben dort mittlerweile die Biber die Landschaftsgestaltung übernommen.

Die sich hier ebenfalls wohl fühlenden 60 Bären und 100 Wölfe, Wildschweine, Hirsche und Luchse und Wildkatzen, Schlangen und Adler sieht man zwar nicht, aber man weiß, dass Kunde von unserer Anwesenheit bei den dortigen Lebensformen über ihre Nase rundgeht, und man fühlt sich ständig unter Beobachtung.
Man findet natürlich die Spuren ihrer Lebensäußerungen: Bärenlosung und Bäume, die in Schulterhöhe Kratzspuren der zu schärfenden Bärentatzen aufweisen, und haarigen Wolfskot, Wildschwein-Suhlen mit den dazugehörigen Mal-Bäumen, an denen die sich gerne genüsslich schubbern.
Das Wildeste, das ich da bisher in den schlammigen Wäldern der Waldkarpaten gesehen habe, waren Feuersalamander und Hirschlausfliegen, die versuchten, sich von mir zu ernähren. Sollte ich dieser Tage von einem ungewöhnlichen Fieber und einer eitrigen Hautkrankheit heimgesucht werden, weiß ich, wem ich den Befall mit dem Bakterium Bartonella schoenbuchensis zu verdanken habe.

Untergekrochen bin ich in der „Wilcza Jama“ (Wolfshöhle), einer agrotouristischen Ansammlung von 6 Blockhäusern, deren Kamine man mit eigenhändig gehacktem Holz füttert, wenn einem kalt ist. Der dortige Wirt Andrzei Pawlak , ein Jäger, der auch schon Breschnjew, Mitterrand und andere Politgrößen zu Jagdzwecken an die Bären herangeführt hat, gibt einem von den Tieren zu essen, die er erjagt hat.
Auch Köstliches von den Pilzen, die da überall herumwachsen. Er ist übrigens der Ansicht, dass man alle Pilze essen kann.
Manche allerdings nur einmal.

Und dann sind da diese Poloninas (Hochweiden) oberhalb der Baumgrenze bis etwa auf 1300 Höhenmeter, anscheinend nicht mehr durch Hirten bewirtschaftet, denn man sieht wie sie langsam verbuschen. Vom Halicz (höchster Berg des ehemaligen Galiziens) über die Steppen der Kette von verschiedenen Poloninas hat es mich geweht durch einen goldenen Oktober zu meinen Füßen.
Das Gefühl der Freiheit im Menschenleeren ist unbeschreiblich, aber vielleicht er - ahnbar in einem heute nur noch sehr selten anzutreffenden Wort: beglückend.

Ja ja, ich weiß, hinterhältig versteckte Kulturkritik ist auch bloß Gesellschaftskritik.

Aber wenn das Glück nur um den Preis der abwesenden Zeitgenossen zu haben ist, muss das nicht unbedingt am Glücklichen liegen.

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