- September: KardámenaWeil es mir eigentlich schon jetzt zu heiß ist, sitze ich jetzt um10:00 Uhr in einem trostlosen Massentourismus-Kaff namens Kardámena bei 27 Grad Celsius im Internet-Cafe,
Diese
Hotel- und Tavernen-Ansammlung scheint eine Art „Ballermann“ für
Liebhaber von Parties zu sein: Saufen, was in 2 Stunden in dich
reingeht, für 14 Euro.
Werde
mich auf eine Suche nach der Festung machen, die man bei der Anfahrt
von links drüben locken sieht.
Stunden
später:
Die
Festung Andimachia habe ich bei meinem Streifzug quer durch die
verbrannte Pampa nicht gefunden.
Dafür
verdistelte Stoppelfelder, die in Ziegenpfade übergingen und im
Nichts endeten.
Dazu
muss man wissen, dass Ziegen beim Überwinden von Geländestufen sehr
viel geschickter sind als alte Männer. Vor allem beim Rückweg durch
Stechginster und Kameldorn.
Interessante
Erfahrung.
Muss
ich aber nicht immer haben.
Das
einzige Griechische ist hier übrigens das Klima.
Man
muss die deprimierenden Nah-Erlebnisse einfach übersehen und sich
auf die Inseln in der Ferne konzentrieren.
Das
Übersehen übt man ja lebenslänglich oder lernt es spätestens auf
die harte Tour in Kalkutta. (Wie gestern die Flüchtlinge auf ihren
Decken unter freiem Himmel vor der Einreisebehörde, oder die
vernachlässigten Felder mit dem um sich greifenden Rhizinus. Usw..)
Die
Hauptbeschäftigung der Touristen - nach dem Rösten (Sunbed +
Umbrella 6 Euro) oder Peeling durch knabbernde Rufa - Fischchen in
Aquarien, (Füße 10 Euro, Hände 5 Euro per halbe Stunde) besteht im
Herumgurken mit Motorrollern auf der Suche nach einem noch nicht
vermüllten Strandabschnitt, um dort ihren Müll zu hinterlassen, mit
dem festen Vorsatz, nie wieder eine derart vermüllte Insel
aufzusuchen.
Die
Tourismusbranche hatte hier in Kardámena reichlich Gelegenheit, ihr
Menschenbild an der unförmigen englischen Arbeiterklasse zu schulen:
verfressen, versoffen, verblödet.
Dieses
Menschenbild funktioniert auch generalisiert: auch andere Europäer,
die es hier her verschlagen hat, können kaum etwas anderes machen.
Ach
doch: shoppen gehen.
Aber
unschön.
Oder
e-mails schreiben.
Umringt
von verfetteten Kids, die imaginäre Feinde auf ihren Monitoren
killen.
Sind
Eltern in der Nähe, hört man sie nach Ice-Cream quengeln.
26.
September: Küstenradeln
-
Na toll!
jetzt
habe ich mir eine Blase in den neuen Stiefeln gelaufen. Hat gestern
schon gezwickt, habs aber nicht ernst genommen.
Na
super!
Jetzt
wird also doch geradelt. Zuerst mal um die Südostspitze herum zu
einer naturbelassenen Therme am Strand. Die Badegäste haben offenbar jede Menge faule Eier verfrühstückt.
Mittlerweile
ist es fast Mittag und mir fällt wie schon gestern auf: das Schönste
an Kos ist bei 30 Grad eine Fahrt im klimatisierten Bus. Die kann gar
nicht lang genug dauern. Hoffentlich macht der Fahrer noch ein
weiteres Bögelchen rein! Gott sei Dank braucht so ein Bus für 23 Km
fast eine Stunde.
Ebenso
schön ist ein Einkauf im klimatisierten Carrefour - Supermarkt.
Vorzugsweise in der Nähe der Tiefkühltruhe hält man sich gerne auf
und tut so, als ob man eine Lektion im Studium griechischer
Lebensmittel durchziehen wollte. Wenn die Schlange an der Kasse nicht
lang genug ist, macht man eine kleine Runde zusätzlich.
Das
Schönste sind natürlich die Sonnenuntergänge. Dann wird das Klima
so menschenfreundlich, und der Himmel im Westen nimmt die Farbe des
Rotweins an, mit dem du dem schwächelnden Helios zuprostest.
Obwohl,
es ist schon ziemlich blöd, bei etwas Schönem an etwas noch
Schöneres zu denken. Der trojanische Krieg um Helena z. Bsp. wurde
veranlasst durch die erste Suche nach der Schönsten.
Eris, die Göttin der Zwietracht warf einen Zankapfel in die Runde, um einen gewissen Paris dazu anzustiften, die Schönste von drei Göttinnen zu wählen.
Das konnte nicht gut ausgehen,
Die Gewählte half ihm dann beim Klauen der Helena.
Der Rest ist die bekannte blutrünstige Heldensaga, die das jugendliche Gemüt ansprechen dürfte. Besonders in den Hollywood-Fassungen.
Im deutschen Märchen führt die Frage nach dem Superlativ von schön sogar zu einem - wenn auch nur vorübergehenden - Giftmord!
Eris, die Göttin der Zwietracht warf einen Zankapfel in die Runde, um einen gewissen Paris dazu anzustiften, die Schönste von drei Göttinnen zu wählen.
Das konnte nicht gut ausgehen,
Die Gewählte half ihm dann beim Klauen der Helena.
Der Rest ist die bekannte blutrünstige Heldensaga, die das jugendliche Gemüt ansprechen dürfte. Besonders in den Hollywood-Fassungen.
Im deutschen Märchen führt die Frage nach dem Superlativ von schön sogar zu einem - wenn auch nur vorübergehenden - Giftmord!
Ebenso
wie es ja nun wirklich objektiver Quatsch ist, ein Schönstes bestimmen zu wollen,
ist es subjektiv eine schlichte Tatsache, die man dann beispielsweise
heiratet.
Man
tut in jedem dieser Fälle aber immer gut daran, einfach mal die Schnauze
zu halten.
-
Ich
stelle fest, man kann auch an den Stätten des Massentourismus in den
Genuss intensiver Erlebnisse gelangen.
War
es gestern der Erwerb einer Blase am rechten Hacken, ist es heute der
Schmerz am Ex des Pod, vulgo Podex.
Es
ist ja ganz hübsch, an der Nordküste entlang zu radeln, mit Blick
auf die Bergketten auf der Bodrum - Halbinsel und die
Schwammtaucherinsel Kalýmnos nebenan, aber mit meiner Statur haben
die Radverleiher wohl nicht gerechnet.
Und
so kommt es, dass die Kraftübertragung von den Beinen, deren Knie
sich etwa auf Höhe meiner Brustwarzen befinden, auf die Tretmühle
etwas mühsam ausfällt, und in der Gegend der Sitzbeine sich eine
unerwünschte Intensität einstellt.
Das
hört ich jetzt so an, als wünschte ich, der Gegenstand allgemeinen
Mitleids zu werden.
Nichts
da! Kaum steigt man ab, riecht man die Blüten der Frangipani, sieht
die reifen Tomaten- und Paprikafelder.
Kürbisse
und Bohnen nicht zu vergessen.
Und
all das brauche ich zu allem schönen Überfluss auch keineswegs, und
auch erst recht nicht in gebückter Haltung abernten.
Ein
Tag ohne wenigstens einen Gedanken ist
der erste des dich beschleichenden Gehirntods.
Na
und?
Kein
Hirn, kein Kopfweh.
27.
September
-
Regentag.
Bus
in ein Bergdorf namens Pyli. Wegen heftigen Regens buswendend zurück.
Versuch,
die Museen abzuklappern:
-
Archeologisches Museum: geschlossen während der gesamten Saison
-
Casa Romana: geschlossen, dito
- Museum italienischer Architektur: dito
- ….
- Touristeninformation? Ja das war mal. Vor der Ära Merkel.
Danke,
Frau Merkel! Ihr Sparprogramm ist der große Wurf!
Es
wird überhaupt nur noch "die Ärmel aufgekrempelt", und es gehört
sich bloß noch Mehrwert geschaffen.
Das
Betreiben von Luxuriosa frisst doch nur Staatsknete für das
Personal.
Und
wer arbeitet, hat sowieso keine Zeit auf die dummen Gedanken zu
kommen, zu denen Museen verleiten.
Gut, ne?
Nach
Mittag Fahrt in das Bergdorf Zia.
Schön
da. Vor der Kulisse einer gewaltigen Kalkwand. überhaupt nix zu
meckern.
Reisen
ist nun mal so.
Für
den Reisenden gilt: Er ist nicht da wegen der Flucht vor dem Alltag.
Die
Reise ist sein Alltag.
Nur
der Tourist glaubt, es gehe dabei um das ganz Andere.
28. September
Furchtbarer Sturm während der ganzen Nacht. Die Segelschiffe nannte man früher „Windjammer“. Nach dieser Nacht weiß ich warum.
Die gebuchte Fähre nach Nissiros kam nicht.
Was
tun?
Da
war kein Büro offen, wo man hätte fragen können.
Riskant
auch die morgen eventuell ausfallende Rückfähre. Der gebuchte Flug
wäre dann weg.
Es
ist halt die Zeit der Äquinoktial-Stürme.
In
der Antike stellte man um diese Zeit überhaupt alle Seefahrt bis zum
nächsten Frühjahr ein.
Schon den Apostel Paulus hat es seinerzeit quer über das Mittelmeer nach Palma geweht.
Schon den Apostel Paulus hat es seinerzeit quer über das Mittelmeer nach Palma geweht.
Panik.
Also
doch den Verlust der Fährkosten und des auf Nissiros gebuchten
Hotels in Kauf nehmen, und hier wieder in Kos unterkriechen.
Sonntagsfrust.
Man
könnte zwar mit den Bussen ein attraktives Ziel ansteuern, kommt
aber nicht mehr am selben Tag zurück.
Blieb
noch das Asklipiadeion,
die größte Heilstätte (Kuranlage) der Antike.
Schon
gewaltig, was da an Heiligem und Heilendem hingestellt wurde. Auch
die Lage der Anlage selber, dreifach gestufte Terrassen mit
gigantischen Treppenaufgängen an einem Abhang über der Küstenebene,
dürfte ein Gratis-Hilfsmittel bei der Genesung gewesen sein.
Kuriosum:
unter den Votivgaben für erfolgreiche Heilung fand ich nicht nur
Arme und Beine, sondern auch „von den Männern deren Ding“.
(Seltsam,
was die Leute alles so sich zusammenglauben.
Die
Frauen glauben anscheinend in diesen entgötterten Zeiten an eine
käuflich erwerbbare ewige Jugend.
Hier
ist jedes fünfte Geschäft der Beweis dafür:
zweieinhalb
Regale Kosmetika links, und rechts zweieinhalb Regale mit Alkoholika
für die Männer, die vom Erfolg der teuren Zaubermittel vorhersagbar
nicht überzeugt sein werden und von einem gewissen Alter an sich
resistent gegen alles mögliche zeigen.)
Der
Arzt Hippokrates, der mit dieser Anlage in Zusammenhang gebracht
wird, beeindruckt mich schwer zu Beeindruckenden seit jeher.
Zwar
scheint er noch an die alten Götter geglaubt zu haben, aber man höre
ihn und bestaune sein " Nichts
geschieht, ohne natürliche Ursache."
Das
ist nämlich der entscheidende Schritt aus dem Mythos als Weltbild
heraus, hin zur Wissenschaft, einem Weltbild, das mir eher zusagt,
weil es keine merkwürdigen Forderungen an dich stellt, sondern nur
verlangt, dich den Gesetzen der Sache zu beugen, willst du sie
beherrschen.
Werde
den Nachmittag wohl verblödeln müssen.
In
meines Herzens Grunde bin
ich wohl das, was die Leute sich unter einem Penner vorstellen:
im
Park rumsitzen unter knalligen Granatapfelbäumen und inmitten
irgendwelcher knalliger Blüten etwas aus der Hand essen, und
sein Bier in Ruhe trinken, ist für unsereinen der wahre Lebensstil.
Das
richtige Leben der richtigen Menschen findet ohne mich statt.
29.
September
-
Diesmal
habe ich aber die alte Festung Andimachia gefunden.
War
eine schöne Wanderung hier her. Mit Blick auf die verpasste Insel
Nissiros
schob
mich ein kühlender Meltemi behutsam vor sich her durch ganz viele
blühende weiße Meerzwiebelfelder. Die Regenfälle hatten dieses
giftige Liliengewächs wohl dazu angeregt, sich eifrig um seine
Vermehrung zu kümmern.
Auf
dem Festungsgelände hat es ein der Heiligen Paraskevi geweihtes
Kirchlein.
Als
Attribut trägt diese Blutzeugin dafür, dass es besser ist als
Christin zu sterben, denn
unter
den bekannten Lebensbedingungen weiterzumachen, ihre Augen auf einem
Teller.
Ist
also eine, die für Augenleiden zuständig ist.
Mich
wundert, warum die Leute sich wundern, dass ein Haufen Anhänger des
Mohammed
sich
in einen heiligen Krieg mit tödlichem Ausgang stürzt, sich aber
keineswegs wundern über irgendwelche hunderttausendfachen Märtyrer
ihres Heiligenkalenders.
30.
September: Dikéos
-
Heute der unrelativierbare Höhepunkt auf Kos.
Soll
heißen, höher geht es halt hier nimmer als auf die 846 Höhenmeter
des Bergs Dikéos.
Phantastischer
Rundumblick!
Nach
4 Stunden war ich damit fertig. Und nu?
Bin
dann noch die 9 Kilometer von Zia nach dem Asklipiadeion hin
gehatscht. Kann man aber genau so gut bleiben lassen, ohne dass
einem da was fehlt.
Eher
kriegt man da zu viel.
Treibt
sich da anzahlreich der
Tourist
herum.
Entgegen
der im Singular angekündigten Erwartung taucht der Tourist immer nur
im massenhaften Plural auf. Zerlatscht also durch pure Anwesenheit
das, worauf es ihm eigentlich angekommen wäre.Steht in deinem Reiseführer etwas von „touristisch unberührtes Bergdorf“, und der Führer ist nicht gerade die letzte, gründlich revidierte Ausgabe, stolpert der Reisende über massenhafte Mutationen seiner selbst.
Panta Rhei
Den Platz zu suchen, wo du den Rest deines Lebens verbringen möchtest, ist ein vergebliches Unterfangen.
Er verändert sich ja doch ständig.
Der Panther reihert, wie der Philosoph sagte, kurz bevor es ihn nicht mehr gab.
So keep moving.
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