Mittwoch, 19. März 2014

Sizilienschnippsel

  1. Maerz 2004. Valderice
    Sitze in der Rezeption des Hotels Villa Sant´ Andrea sicher am Computer.
War alles ein bisschen abenteuerlich auf dem Anflug.
War schon in Sorge, dass irgendwer uns gehijacked haette, denn nach dem Stand der Sonne waren wir seit geraumer Weile stracks auf dem Weg nach Afrika. Und die Pilotenkanzel muckste sich nicht.
Endlich meldete sich der Flugzeugfuehrer, um Bescheid zu geben, daß wir wegen eines Sturms ueber dem Flughafen eine Runde drehen muessten. Kraftstoff waere genug an Bord. 
Das haette ich an seiner Stelle jetzt auch gesagt.

Wir landeten eine zittrige halbe Stunde verspaetet.


  1. - 12. Maerz: San Vito Lo Capo
    Die Mafia hat mir in der Naehe des Tempels von Segesta eine Lektion erteilt: Parke nie einfach so wild in der Gegend herum, wenn ein von ihr kontrollierter (abkassierter) Parkplatz da ist.
    Als ehemaliger Reiseleiter haette ich das eigentlich wissen muessen.
    Da bockt dir im Falle von Zuwiderhandlungen die Mafia schon mal nachts den Bus auf und schraubt dir saemtliche Raeder ab. Die du aber gleich in der naechsten Garage wieder wohlfeil erstehen kannst.
    Fuer mich haette das vorschriftsmaeßige Parken allerdings bedeutet, dass ich drei Kilometer mehr haette hatschen muessen.
    Denen doch scheißegal.
    An jeder Ecke patrouilliert hier einer aus der nutzbaren Armenarmee mit Augen im Kopf und Handy in der Hand. Und so kommt es, dass ich derzeit nur noch mit einem halben Außenspiegel (rechts) herumfahre. Die Verkleidung haben sich welche rausgehebelt, die dann ganz eilig aus der Pole-Position des wilden Parkplatzes abhauten, als ich auftauchte.
    Scheiße und Scherereien!
    Habe mit einem Autoteilehaendler („ricambi“) ausgemacht, dass er bis kommenden Montag diese rueckwaertige Verkleidung des Spiegels bestellt und parat haelt, damit ich auf dem Weg zum Flughafen die Reparatur vornehmen kann, und keinen Aerger mit der Mietwagenfirma kriege.
    Merke: es kostet dich ein Vielfaches des Eintritts und der Parkgebuehr, wenn du dir erlaubst, an der Mafia vorbei zu tun, was dir gut und richtig duenkt.
    Die Tankstellenbetreiber, die ich auf der Suche nach einer Problemloesung abklappern musste, waren geteilter Meinung. Der eine faltete die Haende und murmelte: "Vergogna!" (Schande). Der andere meinte pfiffig, damit belebe die Mafia doch das Wirtschaftsleben.

    Die Wanderung westlich des Tempels von Segesta, also jenseits einer Schlucht, die dich von diesem echten magischen Hinkucker trennt, rauf auf den Monte Pispina ist aber ein Knueller. 

    Am Nachmittag wieder mal die Erkenntnis, dass es nicht Traurigeres gibt als einen Badeort. 
    In der Vorsaison.
    Im Regen.
    Auf der Suche nach einem Telelefon.
    Alle Hotels zu. Und es gibt anscheinend ueberhaupt nur Hotels in San Vito.
    Alle Fensterrollaeden dicht. 
    Abweisend auch die gespenstische Menschenleere der Strassenschluchten waehrend der streng eingehaltenen Siesta.
    Regengrauen, Endzeitstimmung. 
    Weltuntergaenge haben so was Deprimierendes an sich.

  2. Maerz
    Um den Monte Cofano herummarschiert.
    Und als ich dann auf dem Monte Monaco, Hausberg von St. Vito de Capo angekommen war, bin ich von einem gastfreundlichen Paerchen mit Wuersteln, und dort oben selbst gesammelten und gegrillten, riesigen Pilzen („Lucrezio“) gefuettert worden.
13. Maerz
Ereignisreiche sonnige, aber nach wie vor rauh-windige Wandertage.
Als waere man in den Kalkalpen.
Wenn da nicht unueberhoer- und -sehbar seitab das Mittelmeer rauschte, in dem sich die Berge die Fueße baden.

Bin von Scopello aus im Zingaro, dem ersten Naturpark, den sich die sizilianischen Umweltschuetzer hier 1980 erstritten hatten, rumgewandert.

  1. -15. Maerz: Cefalù
    Dieses Sizilien ist nicht mehr das, das ich vor ueber 40 Jahren kennengelernt habe.
    Die Krise macht sich halt fuer den Reisenden zu allererst im kulturellen Bereich bemerkbar. Du willst beispielsweise zu einer Schutzhuette in den Monti Madonie, von der es heisst, sie sei ganzjaehrig geoeffnet. 
Sense. Dicht. Niente.
Also kein Wasser fuer dich und die Wanderung, die auf einen Pizzo Luminaria bis an die Schneegrenze heranfuehrte.
Da gab es jahrhundertealte Stechpalmen ("Ilex") im Waldformat. 15 Meter hoch und breit ausladend mit Hunderttausenden dieser roten Fruechte im dichten Gruen.
Ein herrlicher Anblick.
Wie auch der auf eine achthundertjaehrige Eiche und andere Centenari.
Beim Abstieg zur Abwechslung mal ein gaaanz suesser Anblick: 12 durcheinanderwuselnde braune, schwarze und gestreifte, frische Wildschweinderln.
Wie das auf die Welt losgeht!

Die Knappheitserfahrung in der Krise gilt auch fuer die Touristeninformationen und Museen. 
Kein Geld, kein Personal, keine Oeffnung.
Ausser dem Museo Mandralisca hier in Cefalu. Da haben die Angestellten seit 10 Monaten kein Gehalt mehr ausgezahlt bekommen. Vermutlich haben sie den Laden selber in die Hand genommen, denn geoeffnet ist es.
Siehst Du, so haette ich mir eine zukuenftige Gesellschaft vorgestellt. Wir jagen die Bosse zum Teufel und machen unseren Kram alleine. Das kaeme uns in jeder Hinsicht billiger.
Aber finde mal einen, der das natuerlich nicht abtaete als natuerlich hirnrissigen Einfall eines, den man natuerlich wegsperren muesste, und tausend Gruende dafuer anfuehrt, warum das natuerlich nicht geht!
Das mit dem Wegsperren natuerlich schon, das mit einer arbeitsteiligen Gesellschaft ohne sehr einseitige Nutznießerschaft natuerlich nicht!
Natuerlich!
Was denn mit dem beruehmten Gemaelde „Portraet eines Unbekannten“ von Antonella da Messina werden sollte, wenn die acht Angestellten aufgeben muessten, und das Museum tatsaechlich endgueltig schliesst?
Natuerlich nichts einfacher als das!
Dann kauft natuerlich der Krisengewinnler Deutschland die Wertanlage auf und leitet natuerlich interessierte Besucherstroeme in die Pinakothek.

Natuerlich!

  1. Maerz: Monreale
    Zu diesem unglaublich schoenen Dom gepilgert, den die normannischen Rabauken hochgezogen, und darin in einer biblia pauperum saemtliche zentralen stories des Alten und des Neuen Testaments in Mosaiken mit viel Gold verewigt haben.

    Dann nach Piana degli Albanesi gefahren. Da gibt es an der Portella della Ginestra die Gedenkstaette eines Blutbades, das 1947 die Berufschristen der Democrazia Christiana angezettelt haben. Die kungelten mit der Mafia und dem bis dato als Sozialrebell verehrten Salvatore Guiliani und liessen die zur Maifeier versammelten Arbeiter zusammenschießen. 11 Tote, 56 Verletzte. Es waren naemlich auf diesem Volksfest auch Redner der kommunistischen Gewerkschaft angekuendigt.

    Nach einer kleinen Andacht zur Ueberpruefung meines Weltbilds bin ich um den Berg La Pizzuta herumgeabenteuert.
    Da gab es nach dem Aufstieg außer einem Stueck Forststrasse erst mal nur eine unmarkierte Bummelei ueber dahinrollende Almen mit lebhaften, neugierigen, schwarzen Rindern, die sich am sehr nahen Horizont als Front aufreihten, so dass mir ganz aengstlich zumute wurde.
    Linste begierig, ob da doch wohl hoffentlich am hinteren Unterleib dieser spitzhornigen Ungeheuer auch dieses verlaessliche mehrgliedrige Geschwabbel baumelte.
    Und nicht etwa dieses eingliedrige Gezumpel, das man von den Stieren kennt.

    Dann war da nach den Schneehaeusern der Adeligen bloß noch Natur.
    Jede Menge Gefelse mit bissl Dissgras dazwischen.
    Wo verdammt geht das denn hier runter?
    Wo ich hin will, ist klar und von oben gut zu sehen. Aber ein Pfad dort runter zu dem Pinienwaeldchen, is nich.
    Die eigentlich angekuendigten Orientierungspfaehle durch die Felswildnis sind entweder von Wildschweinen um- und ausgegraben oder mutwillig herausgerissen oder herausgefault.

    Wie schon gesagt: Abenteuer, das einen erst froh stimmt, wenn es vorbei ist.

  2. Maerz: Palermo
Erst latscht man zwei Kilometer runter, runter, runter von Monreale zur ersten Busstation in Richtung Palermo. Dann langt man an der Piazza di Indipendeza an, nur um festzustellen, dass der Palazzo Reale um 12:15 Uhr schließt. Am Sonntag!!
Geht dann geschockt zur Kathedrale, nur um festzustellen, dass.....genau! Aber schon um 4:00 Uhr waere der wieder auf. Nicht erst morgen wie der Normannenkomplex.
Ich kann euch sagen, Leute: Italien!
Wisst ihr, wann die Post da auf hat?
Von – haltet euch fest! - 8:20 Uhr bis 13:35 Uhr.

Aber das ist natuerlich, na was schon?
Genau.

Natuerlich!

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