Eine
griechische Insel zwischen Kreta und Rhodos.
Kali Limni (1225)
Also heute morgen habe ich den hiesigen Metropoliten (eine Art orthodoxer Bischof) gesehen.
Bordfunkdurchsage
auf dem Rückflug zum Festland:
Aber den nepalesischen Gastarbeitern auf ihrem Heimflug von der arabischen Halbinsel passiert so was ständig.
Breitengrad
wie Nordtunesien.
Wenn
man weiß wo, wachsen einem dort die Feigen in den Mund.
Pigadia
Mit
ihren ehrwürdigen Altertümern machen die hier nicht viel her.
Diese
ollen Klamotten werden praktischerweise in den täglichen
Lebensvollzug einbezogen.
So
steht ein riesiges Baptisterium der frühen Christen mit
Treppenstufen zum gefahrlosen Eintauchen in die Ganzkörpertaufe
mitten auf dem Spielplatz am Rathausplatz. Die großen und kleinen
Kinder haben das Ding schon vor längerem als Müllbehälter
durchschaut.
Ein
kleiner Spaziergang zum Friedhof und auf den Akropolisfelsen.
Die
Gräber sind hier alle aus weißem Marmor. Ausgerichtet zum
Sonnenaufgang.
Die
Verstorbenen bleiben da nicht lange drin. Schon nach ein paar Jahren
werden die „Mieter“ wieder herausgenommen, ihre Knochen gewaschen
und in kleinen Holz- oder Blechkisten im Beinhaus aufgestapelt. Mit
Foto und beschriftet.
Eins
der Gräber beherbergt einen Leslie Underwood. Hier im Januar
verstorben. Ohne das sonst übliche Geburtsdatum. Nicht einmal wie
alt er geworden war. Steht doch sonst überall auf den Grabplatten.
Sie
nannten ihn den "Mechanikos" steht statt dessen auf der
Platte. Nichts weiter. Nur R.I.P. Wusste eben keiner was von dem.
Also auch nicht seine Mutter, die ihn vielleicht noch am Leben wähnt.
Sein Foto zeigt einen traurigen Langhaarigen in mittleren Jahren.
Verdorben.
Gestorben.
Ein
anderes Grab, ohne jede Aufschrift, zeigt einen bärtigen Mann in den
besten Jahren, mit einem erhobenen Glas Wein in der Hand. Der hielt
wohl nichts von einer ausgeglichenen Diät, wozu nämlich ein Glas
Wein in jeder Hand gehört hätte.
Der
marmorne Grabstein ist - ohne das übliche Kreuz oben drauf -
senkrecht eingeschlitzt. Durch diesen Schlitz ist eine dünnere
Marmorplatte schräg durchgeschoben.
Vermutlich
der ortsansässige gottlose Künstler.
Etwas
außerhalb der Umfriedung mehrere Holländer, derer mit beschrifteten
Kieseln liebevoll gedacht wird:
IK
WIL DAT DIE BOUZOUKI HUILT
EN
VAN MIJN VERDRIET VERTELT:
PETER,
HET GA JE GOED.
Muss
ich wohl nicht übersetzen.
Herbstgefühle,
nicht unangenehm.
Die
Feng-Shui-Chinesen haben wohl recht: zu den Bergen gehört das
Wasser. Zum Ausgleich. Macht friedlich.
Orientierungsfahrt
über die Insel.
Auf
der östlichen Route um dieses Gebirge herum, das sich als Insel
getarnt hat, nach Norden. Wilde, wüste Szenerien.
Beängstigend
die Steinschlagreste auf den engen Straßen.
Mächtig
viel Kurbelei am Lenkrad. Nervt.
Wäre
lieber mein eigener Beifahrer.
Für
meine Wandergelüste kommt mir heute das meiste zu anspruchsvoll vor.
Zu zerklüftet.
Und
schon wieder, und immer noch Kurven auf den nächsten 10 Kilometern.
Und
dann plötzlich in einer Art Taleinschnitt eine Fata Morgana:
Zwischen all dem Fels schwebt pastellfarben ein Dorf gen Himmel:
Olymbos.
Nehme
ein altes Mütterchen mit 20-Kilo-Sack auf dem gebeugten Rücken mit
ins Dorf rauf. Nach dem zu schließen, wie diese Insulanerin -
nach längeren Gestikulationen meinerseits - mit dem endlich
entdeckten Sicherheitsgurt um sich dran ran und drum herum
wurschtelte, hat die noch nie ein zeitgenössisches Auto von innen
gesehen.
(Diese
Dorf spricht immer noch einen Dialekt, in dem die Linguisten 3000
Wörter des Dorischen ausmachten. Und die Verbindungsstraße zur
Restwelt wurde erst neulich asphaltiert.)
Aus
ihrem Sack - „Perimenete!“
(Warten Sie.) - habe ich - „Perimenete!“ - drei Feigen –
trotz abwehrenden Protests meinerseits – in die Hand gedrückt
bekommen.
Irgendwie
glaubt man ja wirklich zu träumen, wenn man da in der off - season
durch dieses Dorf schlendert. „Das gibt es doch gar nicht!“ bin
ich ewig am Murmeln an jeder Ecke. Ein architektonisches
Freiluftmuseum.
Und
doch, ja, da leben Menschen. Nicht viele, denn die meisten leben in
Rhodos, Athen, oder Amerika. Kommen nur während der Saison ihre
jetzt geschlossenen Restaurants und Touristenshops zu betreiben, wie
mir der Wirt im Café neben der Kirche erklärt.
Das
Laptop in Fensternähe und der Fernseher erklären mir, wie er den
Winter übersteht.
Ist
eine richtige Auswandererinsel, dieses Karpathos. Wenn man sich die
aus Steinen bestehenden Äcker von Avlona
(oberhalb von Olymbos) ansieht, versteht man das sofort.
Da
wachsen - vor allem nach größeren Regenfällen - nur Steine aus den
paar Krumen Erde.
Kali Limni (1225)
Heute
habe ich mich ins Inselinnere aufgemacht, und das heißt: schon
wieder immer rauf.
Dem
KIA-Picanto fiel da erst mal gar nichts auf. Mir allerdings die engen
und sehr gewöhnungsbedürftigen Ortsdurchfahrten. Man ist schon
froh, wenn mal an scharfen Ecken ein Spiegel Einsicht in die
gewünschte Fahrtrichtung gewährt. Mehr als ein kleines Auto passt
nämlich nicht in die Straße rein und durch sie durch.
Oben
auf der Hochebene wollte mich der Mut verlassen beim Anblick des Kali
Limni (1215 m).
Da
zog nämlich die Stau-Bewölkung demotivierend aus dem Westen über
den Gipfel. Ich bin einfach zu alt für so ne Scheiße.
Bin
dann aber doch rauf. Sind ja von Lastos
aus nur knappe 500 Höhenmeter oder - ich zitiere die Markierung: 1h
31´.
Dass
es mir großen Spaß gemacht hätte, kann ich wirklich nicht sagen,
aber der Aufstieg über diese unbequemen Kalkgeröll-Pfade zwischen
all dem Kameldorn und anderem verdorntem Gebüsch – bloß nicht
stolpern und hinfallen! - hat sich gelohnt:
Panorama-Blick
über die ganze Insel von Nord bis Süd.
Als
neue Sensation an meinen heißen Füßen ist zu vermelden: irgend ein
kleiner Teufel versucht, ein glühendes Hufeisen an meinen Fersen zu
fixieren.
Bin
etwas verstochen an den Füßen. Ist gutes Flugwetter für die
Blutsauger, und durch die Cordurastiefel kommen die lässig durch.
Dörferrundfahrt
im Süden der Insel.
Wer
auch immer die Arbeit erfunden hat - es sollen ihm sämtliche Zähne
ausfallen! - ein Grieche war das sicherlich nicht.
Falls
du deine Dose Eiskaffee nicht bezahlen kannst, weil der
Geschäftsinhaber im Kafenion nebenan Wichtigeres zu tun hat (Tawli
spielen!), lege einfach den ausgepreisten Betrag neben die Kasse, und
gutt is.
Eine
der Dorfdurchfahrten war meiner Ansicht nach nicht passierbar. Der
Chauffeur mit seiner Mistkarre von Lastwagen, der sich da unangenehme
Dichte verbreitend bemerkbar machte, bewies mir das Gegenteil:
enterte mein Gefährt und lotste es millimeterdicht daran vorbei.
Ansonsten
eben Herbst: alle Hotels und Restaurants dicht, aber Mandeln, Nüsse,
Orangen und Feigen schwer am Fruchten in den Gärten von
Pilés, die Frangipani duften überall betörend, und der
Hibiskus und die Bougainvillas halten sich sowieso an keine
Vorschriften. Okay, ist kein Frühling, aber die Granatäpfel mit
ihrem prächtigen Dunkelrot haben es mir schwer angetan.
Zur
Erfrischung knülle ich mir ab und zu ein Salbeiblatt und lasse es
sich in einem meiner Nasenlöcher spreizen. Ahhh..!
Dann
gibt es diese zahllosen Kirchlein mit den zahllosen Heiligen,
Schutzpatrone für und gegen alles Mögliche.
Ein
„Agios Mammas“ (für die Anliegen der Hirten zuständig) hält
seine Audienzen für die Klientel in einer Art Trullo aus dem 9.
Jahrhundert gleich hinter Menetés. Den
sollen syrische Seeräuber gebaut haben.
Dabei
fällt mir ein, die Christen haben bei ihren Raubzügen tatsächlich
nie unnötig gemordet. Nur immer dann, wenn all diese anderen partout
sich nicht der selben, nämlich richtigen, weil christlichen,
Auffassung anschließen wollten. Es hätte denen ja durchaus
freigestanden, die richtige Auffassung zu wählen.
Also heute morgen habe ich den hiesigen Metropoliten (eine Art orthodoxer Bischof) gesehen.
Der
fährt ein Auto mit Chauffeur … ähmmm, es ist natürlich der
Chauffeur, der usw.... und ohne Nummer. Aber mit Wimpel am Stander
und dickem MKK hinten drauf.
Wenn
der ein bissl was von seinem stolzen Einkommen abgäbe, dann könnte
man einen Arbeitslosen in das einzige (und noch dazu inaktive)
Kloster der Insel setzen. Und wir Kinder Gottes könnten des Vaters
Haus besuchen. So aber gibt es dort nur eine aufdringlich bettelnde
schwarze Katze. Meine Pilgerschaft zum "Hl. Georg in den
Wäldern" (Agios Georgios Vassón)
war also buchstäblich für die Katz´.
Dieser
Heilige Georg hat übrigens (auf der Ikone des Kapellchens daneben)
hinter sich auf dem Pferd einen kleinen Boy sitzen, mit Turban und
großer Kaffeekanne. So ein adliger Killer des Bösen muss natürlich
nach getaner Heldentat eine standesgemäße Erfrischung serviert
bekommen.
Die
Elite ist so. Der Metropolit hat ja auch seinen Chauffeur
unfreundlich angeraunzt, als er die kleine Schramme an der rechten
Hintertür seines Gefährts entdeckte. Er war sich nämlich ganz
sicher, dass er nicht daran schuld war. Wer nix tut, kann nämlich
auch nix falsch machen. Da hat er ganz recht.
Übrigens
ist meine giftige Erklärung des kleinen Männchens hinter dem
Heiligen Schorsch, den es sowieso nie als historisch greifbare Person
gegeben hat, von geradezu epiphanischer Klarheit gegenüber den
lachhaften Erklärungen der hier zuständigen Ikonographie.
Themenwechsel:
Müllproblem.
Den
Müll von der Insel wegzuschaffen, würde viel Geld kosten, eine
Verbrennungsanlage noch mehr davon. Also landet gar Manches dort, wo
es nicht hingehört. Auf den Parkplätzen vor den Dörfern stehen
Autos ohne Nummern und rosten was das Zeug hält, seit Jahren vor
sich hin. Dito Bagger und anderes Baustellengerät irgendwo am
Straßenrand. In den Vorgärten der neuen Häuser rosten gleich
mehrere - von der Natur bereits gnädig überwucherte - Fahrzeuge
usw.
Aber
sonst ist es gleich nebenan in der Wildnis schaurig schön.
Wenn
ich einen finde, der mit mir auf halbem Weg der Streckenwanderungen
die Autoschlüssel tauscht, komme ich wieder her.
Noch
mal volle Kanne schaurig Schönes.
Morgens
in eine phantastische Schlucht von Adia rauf
nach Lastos hoch, weil der
menschenfreundliche Hund, der sich da auskannte, darauf bestand, den
Guide bergauf zu machen. Vermute, er will da oben eine Freundin von
ihm besuchen.
Er
immer vorne weg mit seinem fröhlich klingelnden Halsglöckchen.
Der
wusste zum Glück genau, wo es in diesem Verhau aus Oleandern und
Felsen lang ging. Konnte allerdings nicht ahnen, dass ich unterwegs
schlapp machen würde und auf halbem Wege lieber umkehrte.
Später
große Wiedersehensfreude am Eingang der Schlucht. Saust ganz
begeistert auf mich zu, als er mich sieht :" Hej, da bist du ja.
Hab dich schon die ganze Zeit gesucht."
Wegen
treuer Dienste hat er von mir ein Leckerli in Form eines Würstchens
gekriegt.
Dann
ein weiterer wildromantischer Höhepunkt : vom Feuerwachtturm nach
Mesochori und zurück.
Wenn
ich mir diesen kargen Fels und den Baumfriedhof vom letzten Waldbrand
anschaue und dann über das wieder strotzende Grün nachsinne, wächst
bei mir die Gewissheit, dass auch aus mir noch mal was Ordentliches
werden kann.
Was
lehrt so eine karge Insel?
Öl
gibt der Olivenbaum.
Die
Traube gibt den Wein.
Gräser
und Frauen geben Mehl und Brot.
Ziegen
geben Milch und Käse und sich.
Dabei
bleibt es seit Tausenden von Jahren hier.
Geschichte
kann ruhig wo anders stattfinden.
„The
German hikers are kindly requested to put their boots on again.“
Natürlich
Quatsch!Aber den nepalesischen Gastarbeitern auf ihrem Heimflug von der arabischen Halbinsel passiert so was ständig.
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